Abenteuerreise im Oktober 2002 durch Ungarn und Serbien
Teilnehmer: Steffi Tews, Clara Eckardt-Framm, Martina Jagsch, Kilian KLauber, Frederic Carpenter, Timo Siempelkamp, Jörg Kretschmer, Stefan Biastock, Christian Grabert.
Am letzten Schultag vor den Herbstferien startete der mit 9 Ruderern vollbesetzte Bus mit Trailer in Richtung Süden. Da wir mal wieder zu spät los gekommen waren, übernachteten wir beim Ruderclub in Regensburg (vielen DanK für die spontane Übernachtungsmöglichkeit). Die Weiterreise nach Budapest wurde leider in Österreich dadurch unterbrochen, daß sich unsere Lichtbrücke verabschiedete. Zwei türkische Fernfahrer halfen uns diese mit Hilfe von Spanngurten an unserem Vierer wieder zu fixieren. Die Einreise nach Ungarn lief Balkan-typisch ab. Zöllner: “Für die Boote brauchen Sie eine amtliche Zollerklärung”; VL:”So was hab ich nicht”; Zöllner nach kurzen überlegen: “Na dann reisen Sie halt ohne ein”. Der VL kurz nach dem Weiterfahren: “Klappt doch immer wieder”.
Gegen Abend kamen wir in beim Ruderclub “Külker” in Budapest an. Der Freitag stand ganz im Zeichen der Kultur. Eine ausführliche Besichtigung der Budpester Sehenswürdigkeiten führte uns zur Fischerbastei, Mathiaskirche, ins Labyrinth unter der Burg und durch die Altstadt zurück über die Margareteninsel. Währenddessen hatte Jörg zusammen mit einem ungarischen Ruderer probiert den Hänger zu schweißen.
Bei guter Strömung ging es am ersten Rudertag die knapp 80 km bis Dunauvjaros herunter. Der Fluss ist hier sehr breit und die flache Puszta-Landschaft wird nur durch 3 große bewachsene Sanddünen unterbrochen, auf der ersten liegt ein häßliches Industriegebiet, auf der zweiten ein idyllischer Ort und auf der dritten Dunavjaros. In dieser reizende Stadt, mit dem Charme von Eisenhüttenstadt, hatten wir in einem Plattenbauhotel unser Quartier. Am Abend gab Christian zur Feier des Fahrtbeginns das Abendessen aus. Der nächste Tag began dann gleich mit einer Katastrophe. Der VL fuhr zurück nach Budapest um den Bootshänger zu holen. Die Reparatur des Vortages hielt genau 10km, dann brach die reparierte Stelle gleich wieder. Also fuhr er wieder zurück nach Budapest, stellte den Hänger wieder ab, klärte mit einem ungarischen Ruderkameraden die weiteren Reparaturarbeiten, bevor es sich wieder auf den Weg machte ein Quartier für die Ruderer in Baja zu finden. Auf grund fehlerhafter Kilometerangaben in unseren Unterlagen enpuppte sich die vermeintliche 80km Etappe leider als 90km. Wegen der einbrechenden Dunkelheit brachen wir die Etappe ab. Nach einiger Verwirrung gelang es dem Landdienst die Ruderer an einem einsamen Strand ca. 7 km vor Baja zu finden und aufzunehmen. Für den Fehler in der Streckenlänge entschuldigte sich der VL mit einem Abendessen in einem recht vornehmen Restaurant, bevor wir uns in unser Hotel zurückzogen.
Die paar Kilometer die wir vom Vortag aufholen mußten waren am nächsten Tag kein Problem. Die Strecke lag nur bei 40 km, so daß der Landdienst einigermaßen überrascht war, wie schnell die Ruderer am Ziel in Mohacs waren. Das Quartier im “ersten Haus am Platz” war wiederum wanderfahrtuntypisch viel zu gut. Der Abend wurde in großer Runde im Fernsehraum des Hotels beschlossen.
Am folgende Tag war die Reise ins Unbekannte, über die serbische Grenze. So ähnlich muß sich Dr. Livingston gefühlt haben. Der VL hatte es mit dem Zugfahrzeug nach nur 1 Stunde Grenzkontrolle überstanden. Nur ein paar Papiere ausfüllen, ein paar große grüne Beutel durchwühlen lassen und “schon” war man in Serbien. Weniger witzig waren die Polizeikontrollen in jedem zweiten Dorf durch das man kam. Die Dorfpolizisten haben anscheinend nichts besseres zu tun. Bis Apatin (ca. 30 km) wurde der Landdienst 5 mal kontrolliert. Was die Herren in Uniform mit den Booten anstellten war allerdings kaum noch zu überbieten. Die Grenzkontrolle in ..... dauerte 3 1/2 Stunden. Für jedes Boot 12 Seiten Formulare, für jede Person 9 Seiten Formulare ausfüllen. Durchschläge oder Kopierer gab es natürlich nicht. Neben Hafenbehörden möchten Zoll und Polizei jeweils extra kontrollieren. Am Ziel in Apatin wartete dann nicht nur der VL sondern auch die Miliz auf unsere Boote um noch einmal zu kontrollieren. Wer also die DDR so sehr vermißt, das er seine VOPO´s wieder haben möchte, dem sei ein Urlaub in Serbien zu empfehlen. (ich bin allerdings selbst in der DDR niemals 5 mal am Tag grundlos angehalten worden um meine Papiere vorzuzeigen.) Das Quartier in Apatin war sehr gut aber auch sehr teuer. Für den Preis bekommt man auch in Deutschland ein Zimmer. Da wir aber in einem Zimmer einen Herd stehen hatten wurde gekocht, so daß die Fahrtenkasse nicht noch weiter geplündert wurde.
Am nächsten Morgen ging es, nach der obligatorischen Kontrolle durch die Miliz in Richtung Backa Palanka. Da wir am Vortag dank der Grenzkontrollen die Strecke nicht völlig gschafft hatten, wurde als Ziel irgendwo vor Backa Palanka genannt. Der VL machte sich mit dem Auto auf den Weg etwas zu suchen. Nach der Erfahrung des Vortages beschränkte er sich diesmal auf Nebenstraßen und Deichwege, der Erfolg gab ihm Recht. Nur zwei Polizeikontrollen auf 100 km. Da es unmöglich war auf der Strecke irgendwo ein Hotel zu finden, fuhr er nach Backa Palanka. Hier half ihm ein Mitglied des Kajakclubs. Das Hotel war allerdings unter aller Sau. Dreckige Dreibettzimmer mit eigenartiger Dusche im Zimmer, WC auf dem Gang. Dies ist fast wörtlich zu nehmen, das Wasser aus den WCs lief bis auf den Gang. Nun fuhr der VL wieder zu zurück über die Deiche zur Aussetzstelle und wartete in der einsetzenden Dämmerung auf seine Boote. Die Schwierigkeit war, daß er nicht wußte bei welchem Kilometer er eigentlich wartete. Als die Boote ankamen wurde gleich am Ufer im Licht der Autoscheinwerfer das Abendessen gekocht.
Über das Hotelfrühstück am nächsten Morgen läßt sich nur positiv vermerken, daß der Speisesaal sauber war. Danach brachte uns der Landdienst zu unseren Booten. Bei mäßigem Wetter ging es zunächst weiter durch die flache Puszta-Landschaft, bevor sich gegen Mittag die ersten Berge richtigen Berge seit Budapest zeigten. Nach einem weiteren Regenschauer erreichten wir Novi-Sad. Der Landdienst hatte uns etwas außerhalb 3 Campinghütten gebucht. In Novi-Sad liegt von den NATO-Bombenangriffen leider noch eine zerstörte Brücke im Fluss. Diese kann man zwar passieren, aber die dann folgende Behelfs-Ponton-Brücke ist eigentlich unpassierbar. Da man uns versprach, daß die Ponton-Brücke am übernächsten Tag für die Schifffahrt geöffnet würde und wegen des den ganzen nächsten Tag anhaltenden Regens verschoben wir die Weiterfahrt um 24 Stunden.
Die Weiterfahrt am nächsten Tag bescherte uns leider den schwersten Unfall, den wir je auf dem Wasser erlebt haben. Das Passieren der Pontonbrücke lief problemlos, aber etwa einen Kilometer weiter, war direkt hinter einer Brücke ein Stahlseil quer über das Fahrwasser gespannt. Leider völlig ohne Kennzeichnung. Das Ergebnis war, daß unser Vierer kenterte und die Mannschaft ein unfreiwilliges Bad in der Donau nahm. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt. Eine serbische Schlepperbesatzung half uns beim bergen des Bootes. Die Etappe nach Belgrad wurde daraufhin per Auto zurückgelegt. Hier hatten uns unsere serbischen Ruderkameraden in einem leider viel zu vornehmen (und zu teuren) Luxushotel einquartiert. Während der VL mit 2 Leuten nach Budapest zurückfuhr um den reparierten Bootshänger abzuholen, hatten die übrigen Teilnehmer das nächste bedenkliche Ereignis als in der Nacht 200m neben ihrem Hotel eine Bombe hochging, die Mafia läßt grüßen.
Nach dem Pausentag in Belgrad ging es weiter den Fluss abwärts. Das Ziel war der Ruderclub Smederovo. Nachdem der Landdienst zwei Mal durch die Stadt geirrt war wurden wir von einem Auto angehalten. Hierbei handelte es sich aber nicht etwa um eine Zivilstreife, sondern um den Vorsitzenden des örtlichen Ruderclubs, der uns zum Bootshaus brachte. Am späten nachmittag trudelten auch die Ruderer ein. Die Strömung hatte doch sehr nachgelassen. Die Landschaft war nach Norden hin flach mit gewaltigen Auwäldern, während sich am Südufer bereits kleinere Berge erhoben. Unser Hotel lag auch ein Stück den Berg hoch mit wunderschöner Aussicht über den Fluss. Das Hotel hatte allerdings schon mal bessere Tage gesehen. Die Zimmer waren leidlich sauber und eigentlich in Ordnung, außen blätterte aber die Farbe ab. Zum Abendessen gingen wir in die Vereins-Pizzeria.
Das Hotelfrühstück am nächsten Morgen war wieder Serbien-Hoteltypisch eine unbeschreibliche Zumutung. Kurz nach dem Start in Smederovo wurde der Sektkilometer 1111 überquert. Die Mannschaft saß komplett auf Platz eins und stritt den Rest der Fahrt darüber, ob Steffi´s Bein oder Frederic´s Arm als erstes über den Kilometer gegangen sei. Die sehr frauenfeindlichen Vorschläge der zu 4/5 männlichen Mannschaft wurde von der Steuerfrau leider ignoriert. Einige Kilometer weiter war uns gar nicht mehr zum Spaßen zumute. Auf einer weiten Kurve, direkt bevor die Donau in ein Engtal mündete, standen gewaltige Wellen. Aus dem Gebirge kamen offensichtlich Fallwinde herab. Dank der Steuerkünste unser Steuerfrau und einer eingespielten Mannschaft erreichten wir schließlich das Engtal. Hier ließen die Wellen etwas nach, so daß wir wieder ohne Schwierigkeiten rudern konnten. Zu geistigen Erbauung wurde wieder “Ich packe meinen Koffer” gespielt, allerdings mußte unserer jüngsten teilweise erklärt werden was das eigentlich für Gegenstände sind........ Unser Landdienst dirigierte uns an einen Strand, wo wir unsere Boote ablegten und danach ging es in unser Hotelquartier. Eine idyllisch an einem See gelegene Hotelanlage. Die Anlage hatte zwar auch schon mal bessere Tage gesehen, aber insgesamt war es deutlich besser als der Durchscnitt.
Am Morgen brauchten wir erst mal 2 Stunden um die serbischen Grenzkontrollen zu überwinden. Da die Donau ab hier Grenzfluß zu Rumänien ist, mußten wir da durch. Also bei Zoll, Miliz und Hafenkommandant melden, Formulare ausfüllen, Ausweise und Bootspapiere kontrollieren. Immerhin konnte ein Mann der Miliz ein bißchen Englisch und Deutsch. Die gesamte Strecke lief komplett durch ein Engtal. Teilweise erhoben sich steile Felswände senkrecht aus dem Wasser einige Hundert Meter hoch. Zeitweilig wirkte die Strecke wie ein norwegischer Fjord. An etlichen Stellen kämpften wir uns wieder durch die Fallwinde, aber wir waren schon erprobt darin. Leider waren unsere Karten der Gegend recht mäßig. Am vermeintlichen Zielort fragten die Ruderer den Landdienst, warum sie nicht zu sehen seien. Der Landdienst suchte das Boot und fand es nicht. Die Flusskilometerangabe hatte eine Differenz von ca. 10 km. Das Boot machte sich jetzt mit Rennschlag auf dem Weg, um noch vor Einbruch der Dunkelheit das Ziel zu erreichen. In der einbrechenden Dämmerung stopte uns dann die Miliz mit Kalaschnikow im Arm. Ein danebenstehender Fischer übersetzte. Nachdem man uns ausreichend überprüft hatte, inzwischen war mehr Miliz als Ruderer angerückt (wir müssen wirklich gefährlich aussehen) fragte man uns, wo wir heute übernachten würden. Unser Übersetzer erklärte sofort: “Bei mir”. Das stellte die Miliz offensichtlich zufrieden. Nachdem wir unseren Landdienst herantelefoniert hatten quartierten wir uns mit 9 Leuten bei “unserem“ Fischer ein. Bald saßen wir in fröhlicher Runde in einem Wochenendhaus. Nach dem Abendessen wurde die gesamte Mannschaft in provisorischen Gästezimmern untergebracht. Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschiedeten wir uns herzlich von unserem Gastgeber. Die Ruderer machten sich auf den Weg zur finalen Etappe durch das “Eiserne Tor” während der Landdienst zurück mußte, um den Bootshänger zu holen.
War die Berglandschaft an den letzten Tagen schon beeindruckend, so war sie auf dieser Strecke atemberaubend. Die Donau fließt hier durch einen Canyon mit 500m hohen Steilwänden, die sich senkrecht aus dem Wasser erheben. An einer Stelle ist ein gewaltiges Gesicht in den Felsen geschlagen. Die Strömung nahm zu und es bildeten sich riesige Wirbel im Wasser, die das Boot immer wieder aus dem Kurs drückten. Kurz vor der Schleuse Djerdap legte das Boot in einer Bachmündung an und wartete auf den Landdienst. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam endlich der Bootshänger. Der VL durfte rückwärts einen steilen Treckerpfad abwärts fahren. Mit Einbruch der Dunkelheit hatten wir dann endlich aufgeladen und es ging zum Quartier nach.... Wir kamen erst recht spät an, trotzdem wurde dann noch auf dem Hotelparkplatz eine Runde gekocht.
Die Rückfahrt führte uns zunächst über Belgrad. Von dort ging es in Richtung Kroatien weiter. Die serbische Autobahngebühr ist schlicht und einfach staatlich sanktionierter Straßenraub. Die Ausreise aus Serbien machte trotz Bootsanhänger überhaupt keine Schwierigkeiten. Wir waren das erste Mal von einem serbischen Uniformierten begeistert. Der Unterschied von Kroatien zu Serbien ist extrem. Ein Unterschied wie Tag und Nacht und das gilt nicht nur für den Straßenzustand. Auch Uniformierte und Offizielle sind wieder Menschen und können sogar freundlich sein. (Zur Ehrenrettung der Serben: Unsere Ruderkameraden aus Belgrad und Novi Sad und natürlich die unglaubliche Gastfreundschaft des Fischers der uns beherbergt hatte haben unser Bild von den Serben wieder herausgerissen. Fakt bleibt aber, daß das Personal der Hotels und noch mehr alle Uniformierten ein sehr faden Beigeschmack hinterlassen haben. Dazu kommt noch, daß die Hotelpreise in Serbien in einem unangemessenen Verhältnis zu Leistung stehen.)
Unser Rückweg führte uns durch Kroatien vorbei an Zagreb, für ein kurzes Stück durch Slowenien und dann schließlich nach Österreich. Nachdem wir die letzte Grenze überquert hatten telefonierten wir mit dem Loipoldhof und meldeten spontan die ganze Gruppe zur Übernachtung an. In Aich ließen wir den Bootshänger stehen bevor wir auf den Berg hochfuhren. Auf dem Bauernhof bekamen wir, trotz der kurzfristigen Anmeldung sogar noch ein Abendessen. Die Zimmer wurden staunend als nie gesehener Luxus betrachtet. O-Ton: “Zwei Klassen über dem Belgrader Viersterne-Hotel”.
Am letzten Tag ging es nur noch die 800km nach Berlin zurück.
Fazit: Vom Rudern jenseits der zukünftigen EU-Grenzen habe ich als VL erst mal genug. Zu Nachahmung nicht wirklich empfohlen auch wenn sich die Situation mit den Brücken in Novi Sad verbessert. Die Grenzkontrollen auf dem Wasser sind schikanös, die einfachen Hotels kosten 13-15 Euro pro Person und das sind sie schlicht und einfach nicht wert. Das Frühstück unterbietet sogar noch deutsche Jugendherbergen. Die wenigen privaten Hotels sind recht teuer, dafür aber auch einer AH-Truppe zumutbar. Allerdings sind diese Hotels schwer zu finden. Die Mautgebühren für die serbischen “Autobahnen” sind eine Unverschämtheit. Über die serbischen Polizisten haben wir uns ja bereits zur Genüge ausgelassen.
Zu den positiven Aspekten: Es hat keine Diebstähle gegeben und im Gegensatz zu Ungarn hat in Serbien auch niemand unsere Mädchen belästigt. Die Gastfreundschaft der Bevölkerung ist unglaublich groß.
Stefan Biastock
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